Elternunterhalt - Kinder haften für ihre Eltern (Teil 1)

„Müssen unsere Kinder für unsere Pflege im Heim aufkommen?
Was passiert mit unserer Immobilie, wenn es zum Pflegefall kommt?
Wir haben eigene Kinder und deren Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen. Müssen wir trotzdem für unsere Eltern aufkommen?“

Diese und zahlreiche weitere Fragen begegnen uns immer wieder in unserer Beratungspraxis, wenn es um das Thema Elternunterhalt geht. Während sich Eltern oftmals vorsorgend beraten lassen und die Frage im Raum steht, inwieweit die eigenen Kinder herangezogen werden können, kommen die Kinder meist mit der sog. Überleitungsanzeige des Wetteraukreises, bzw. des zuständigen Sozialleistungsträgers und fragen sich, inwieweit sie nun zur Auskunftserteilung verpflichtet sind und möglicherweise für die Heimkosten der Eltern zahlen müssen.

In unserem zweiteiligen Beitrag, der auch die Grundlage unserer diesbezüglichen Vortragsveranstaltung „Kinder haften für ihre Eltern – Zivil- und steuerrechtliche Aspekte des Elternunterhalts“ darstellt, wollen wir die Grundzüge der Elternunterhaltsthematik erläutern.

Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Dezember 2015 insgesamt 2,86 Millionen Menschen pflegebedürftig. Einhergehend mit der Zunahme der Pflegefälle gewinnt auch die Thematik des Elternunterhalts zunehmend an Bedeutung. Eigene Renteneinkünfte der Eltern können aus unterschiedlichsten Gründen bescheiden ausfallen und decken dann – auch unter Hinzurechnung der Leistungen der Pflegeversicherung - die Kosten einer Pflegeeinrichtung nicht vollständig ab. In diesen Fällen bleibt nur die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, die allerdings grundsätzlich subsidiär – also nachrangig – sind.

Vorrangig haften für die ungedeckten Pflegekosten entweder der Ehepartner oder aber die eigenen Kinder, welche im Fokus dieses Beitrages stehen.

Anspruchsgrundlage ist hierbei § 1601 BGB. Hiernach sind Verwandte in gerade Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Während man zunächst an die typischen Fälle des Kindesunterhalts denkt, funktioniert § 1601 BGB auch in die andere Richtung, sprich: er gibt auch den bedürftigen Eltern gegen die Kinder einen Unterhaltsanspruch.

Wie in allen Unterhaltsrechtsverhältnissen üblich, prüfen wir auch beim Elternunterhalt nach einem Grundschema und fragen nach dem Bedarf des Elternteils, der Bedürftigkeit des Elternteils und der Leistungsfähigkeit des Kindes. Als Sonderfrage ist sodann noch der Verwirkungseinwand zu erörtern.

1. Bedarf des Elternteils

Der Bedarf des Elternteils ist der monatliche Betrag, der tatsächlich zur Lebensführung und Pflege zur Verfügung stehen muss. Für den Fall, dass der Elternteil in einer Pflegeeinrichtung lebt, ist dieser Bedarf relativ einfach anhand der tatsächlich anfallenden Heimkosten zu ermitteln.

Wird ein Elternteil zu Hause betreut, ist zumindest von einem Betrag in Höhe von EUR 880,00 monatlich auszugehen. Hierbei handelt es sich entsprechend der jeweiligen Unterhaltsleitlinien um den sog. notwendigen Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen, somit als das Existenzminimum (exemplarisch sei auf Ziffer 21.2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Frankfurt am Main verwiesen).

2. Bedürftigkeit des Elternteils

Der Elternteil ist im Falle der Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung dann bedürftig, wenn sein eigenes Einkommen zuzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung nicht zur Deckung der monatlich entstehenden Heimkosten ausreicht.

a) Einkommen

Zum Einkommen zählen alle Einkünfte im steuerrechtlichen Sinn, also insbesondere Renten- und Pensionseinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Nach einer Entscheidung des BGH vom 20.12.2006 zählen hierzu auch Leistungen der Grundsicherung, die zunächst bedarfsdeckend in Anspruch zu nehmen sind (BGH FamRZ 2007, 1158).

b) Vermögenseinsatz

Der Unterhaltsberechtigte muss sein Vermögen bis auf das sog. kleine Schonvermögen vollständig einsetzen.
Der Freibetrag beläuft sich seit dem 01.04.2017 auf EUR 5.000,00, was sich aus § 90 SGB XII i.V.m. § 1 DurchführungsVO ergibt.
Über das Schonvermögen hinaus sind auch Erb- und Familienandenken anrechnungsfrei zu belassen. Eine Besonderheit gilt bezüglich sog. Sterbegeldversicherungen. Hier ist vorrangig zu prüfen, inwieweit der Versicherungsvertrag jederzeit gekündigt und das Deckungskapital an den Versicherungsnehmer ausgezahlt werden kann.

c) Leistungen der Pflegeversicherung

Bei vollstationärer Betreuung belaufen sich die Zahlungen auf EUR 125,00 bei Pflegegrad 1, EUR 770,00 bei Pflegegrad 2, EUR 1.262,00 bei Pflegegrad 3, EUR 1.775,00 bei Pflegegrad 4 und EUR 2.005,00 bei Pflegegrad 5.

In Teil 2 unseres Beitrages werden wir die Frage der Leistungsfähigkeit des Kindes sowie den Verwirkungseinwand erörtern.

von Ingo Renzel

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