Elternunterhalt - Kinder haften für ihre Eltern (Teil 2)

„Welcher Betrag muss mir und meiner Familie monatlich verbleiben?
Was ist mit dem gerade erst aufgenommenen Pkw-Kredit?
Ich habe seit Jahren keinen Kontakt zu meinen Eltern. Muss ich trotzdem Elternunterhalt zahlen?“

In Teil 2 unseres Beitrages rund um das Thema Elternunterhalt setzen wir uns mit der Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Kindes sowie der Frage der Verwirkung auseinander. Hier steht die Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens im Fokus, also insbesondere die Frage der Abzugsfähigkeit von monatlichen Aufwendungen und Belastungen.

Teil 1 unseres Beitrages finden Sie hier.

3. Leistungsfähigkeit des Kindes

Weitere Voraussetzung der Zahlung von Elternunterhalt ist schließlich, dass das unterhaltsverpflichtete Kind auch leistungsfähig ist, also nach Abzug des Selbstbehaltes genügend Einkommen zur Verfügung steht oder ausreichend einzusetzendes Vermögen vorhanden ist.

a) Einkommen

Grundlage der Unterhaltsberechnung ist das sog. bereinigte Nettoeinkommen, also das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Kindes nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen, berufsbedingten Aufwendungen und weitergehenden – im Einzelfall zu prüfenden - Aufwendungen und Belastungen. Hierzu zählen insbesondere weitergehende Altersvorsorgeaufwendungen, zusätzlicher Krankenversicherungsschutz, Schuldverbindlichkeiten – soweit diese berücksichtigt werden können - und vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Kindern und Ehepartnern.

Während bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit die letzten zwölf Gehaltsabrechnungen sowie der zuletzt ergangene Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt werden, gestaltet sich die Einkommensermittlung bei anderen Einkommensarten – insbesondere aus selbstständiger Tätigkeit – etwas aufwendiger, da hier eine Prognose anhand der vergangenen drei, oftmals aber auch fünf Kalenderjahre anzustellen ist.

Nach Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommens ist schließlich der Selbstbehalt in Abzug zu bringen. Dieser beläuft sich für das unterhaltsverpflichtete Kind auf EUR 1.800,00 monatlich. Für den Ehegatten ist ein weiterer Betrag in Höhe von EUR 1.440,00 in Ansatz zu bringen. Von dem verbleibenden Einkommen ist sodann der hälftige Betrag anzusetzen.

Dies wird anhand folgenden Beispiels verdeutlicht: Bei einer alleinstehenden Person mit einem bereinigten Nettoeinkommen in Höhe von EUR 2.500,00 ist der Selbstbehalt in Höhe von EUR 1.800,00 in Abzug zu bringen, so dass noch ein Einkommen in Höhe von EUR 700,00 verbleibt. Die Hälfte hieraus, also EUR 350,00 sind sodann für den Elternunterhalt monatlich einzusetzen.

b) Vermögenseinsatz

Grundsätzlich ist auch der Unterhaltspflichtige gehalten, seinen Vermögensstamm einzusetzen. Allerdings wird ein sog. verzehrender Vermögenseinsatz nur dann gefordert, wenn dies auch zumutbar ist.

Darüber hinaus ist das Schonvermögen – anders als auf Seiten des unterhaltsberechtigten Elternteils – individuell zu ermitteln. Der BGH hat hierzu bereits im Jahr 2006 (Entscheidung vom 30.08.2006, BGH FamRZ 2006, 1511) eine Berechnung auf Basis nachfolgender Formel vorgenommen: Lebensarbeitszeit (ab Volljährigkeit bis heute) x Bruttoeinkommen im Zeitpunkt der Inanspruchnahme x 4 % Aufzinsung.

4. Verwirkungseinwand

Auch wenn sich rein rechnerisch eine Zahlungsverpflichtung des Kindes ermittelt, so kann die Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt gleichwohl ausgeschlossen sein, sofern ein Verwirkungseinwand greift.

Gründe hierfür können beispielsweise ein sittliches Verschulden des Elternteils sein (Alkohol, Drogen, Spielsucht), die Vernachlässigung der eigenen Unterhaltspflicht in früheren Jahren gegenüber dem nunmehr pflichtigen Kind oder Fälle der schweren Verfehlungen wie die Verwirklichung von Straftatbeständen gegenüber dem Kind. Allein die Verweigerung des Kontaktes während der vergangenen Jahre oder eine erfolgte Enterbung ist nicht ausreichend für die Annahme des Verwirkungseinwandes.

Soweit der Einwand der Verwirkung geltend gemacht werden soll, ist dieser von dem unterhaltspflichtigen Kind darzulegen und zu beweisen.

von Ingo Renzel

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