Verfrühter Scheidungsantrag - Auswirkungen auf den Rentenausgleich

Im Zusammenhang mit der Ehescheidung findet regelmäßig ein Versorgungsausgleichsverfahren statt, sofern die Eheleute keine anderweitige ehevertragliche Vereinbarung getroffen haben oder die Ehe nur von kurzer Dauer war.  Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Entscheidung vom 16.08.2017 in der Familiensache XII ZB 21/17) setzt sich unter anderem mit der Frage auseinander, welche Auswirkungen ein verfrüht gestellter Scheidungsantrag auf das Versorgungsausgleichsverfahren haben kann.

  1. Grundprinzip des Versorgungsausgleichs

Das Grundprinzip des Versorgungsausgleichs besteht darin, dass die von den Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften jeweils wechselseitig ausgeglichen werden. Dies betrifft sowohl die gesetzlichen Rentenanwartschaften, als auch betriebliche und private Altersversorgungen.

Das Verfahren wird von Amts wegen mit jeder Scheidung durchgeführt, soweit die Eheleute länger als drei Jahre miteinander verheiratet sind und kein Ausschluss vereinbart ist. Im Falle einer kurzen Ehedauer von unter drei Jahren ist ein Antrag erforderlich.

Die für die Berechnung des Versorgungsausgleichs maßgebende Ehezeit beginnt mit dem Monat, in dem die Ehe geschlossen wurde und endet mit dem letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrages (§ 3 Absatz 1 VersAusglG).

Haben die Eheleute also am 15.06.2010 geheiratet und wurde der Scheidungsantrag der Gegenseite am 15.06.2017 zugestellt, so ist Ehezeit im Sinne des Versorgungsausgleichsgesetzes vom 01.06.2010 bis 31.05.2017.

Die auf die ehezeitbezogenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie bei den betrieblichen und privaten Altersvorsorgeträgern werden von Amts wegen – also über das Familiengericht – ermittelt. Gemeinsam mit dem Ehescheidungsbeschluss – oder im Falle der Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens zeitlich nachgelagert – wird der jeweilige Ausgleich der Rentenanwartschaften verkündet und sodann nach Rechtskraft der Entscheidung durchgeführt.

  1. Der verfrüht gestellte Scheidungsantrag

Sofern keine Härtefallscheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nach § 1565 Absatz 2 BGB in Betracht kommt, kann die Ehe nur dann geschieden werden, wenn die Eheleute mindestens ein Jahr voneinander getrennt leben und beide die Ehescheidung beantragen oder der Antragsgegner dem Antrag des anderen Ehepartners zustimmt (§ 1566 Absatz 2 BGB).

Leben die Eheleute also beispielsweise seit dem 15.12.2016 getrennt, wäre ein am 15.10.2017 zugestellter Scheidungsantrag verfrüht gestellt.

Die Gerichte sind grundsätzlich gehalten, offensichtlich verfrüht gestellte Scheidungsanträge zeitnah zu terminieren, so dass eine Zurückweisung des Scheidungsbegehrens wegen Unbegründetheit erfolgen kann. Die Konsequenz ist, dass der Antragsteller/die Antragstellerin die kompletten Kosten des von ihm/ihr eingeleiteten Scheidungsverfahrens tragen muss. Selbstverständlich bleibt es ihm/ihr aber unbenommen, jederzeit wieder einen neuen Antrag zu stellen.

In der Praxis kommt es aber immer wieder vor, dass der Scheidungsantrag nur um wenige Wochen oder Monate zu früh gestellt wird und keine rechtzeitige Terminierung erfolgt. In diesen Fällen kann der Antrag dann nicht mehr zurückgewiesen werden, soweit das Trennungsjahr während des rechtshängigen Scheidungsverfahrens abgelaufen ist. Wichtig ist nur, dass im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Trennungsjahr abgelaufen ist. Dann kann das Scheidungsbegehren nicht als unbegründet zurückgewiesen werden.

Was passiert aber mit der Berechnung des Versorgungsausgleichs?

  1. Die aktuelle Entscheidung des BGH

Im Rahmen des Beschlusses vom 16.08.2017 in dem Verfahren XII ZB 21/17 setzt sich der BGH unter anderem mit der Thematik des verfrüht gestellten Scheidungsantrages auseinander. In dem konkreten Fall wurde der Scheidungsantrag nach dem Vortrag der Ehefrau zwei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres gestellt. Die Frage des konkreten Trennungszeitpunktes ist streitig geblieben.

Wie der BGH ausführt, ist die Thematik des verfrüht gestellten Scheidungsantrages allein über § 27 VersAusglG zu lösen. Ein verfrüht gestellter Scheidungsantrag muss sich hiernach als treuwidriges Verhalten darstellen, welches zu einer unbilligen Härte führt.

In dem konkreten Fall war nach Ansicht des XII. Zivilsenats eine grobe Unbilligkeit weder ersichtlich, noch wurde eine solche in der Rechtsbeschwerde dargelegt. Darüber hinaus hat es nach den Ausführungen des Senats an Ausführungen zu dem Umfang eines der Ehefrau hierdurch entstandenen Schadens gefehlt. Schließlich hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass letztlich vor dem Hintergrund des Versicherungsverlaufs des Ehemannes allenfalls von geringen Ausgleichsbeträgen ausgegangen werden kann.

  1. Fazit

Verfrüht gestellte Scheidungsanträge sind für den überwiegend ausgleichsberechtigten Ehegatten stets ein Ärgernis in der Praxis. Eine Zurückweisung des verfrüht gestellten Scheidungsbegehrens kann oftmals nur dann erreicht werden, wenn ein Scheidungsantrag offensichtlich verfrüht gestellt wurde und das jeweils zuständige Familiengericht zeitnah terminiert.

Löst sich aber die Thematik der Unbegründetheit durch Zeitablauf auf, so bleibt nur der Antrag nach § 27 VersAusglG.

von Ingo Renzel

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