Kindesumgang während der Corona-Krise

Verfahren im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht, also dem Recht des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils auf regelmäßigen Kontakt mit seinem Kind oder seinen Kindern, sind oftmals von starken Emotionen geprägt. Nicht selten streiten Eltern immer wieder in regelmäßigen Abständen vor den Familiengerichten über die Modalitäten des Umgangs oder die Abänderung der bestehenden Regelungen. Oftmals müssen auch Vollstreckungsverfahren nach § 89 FamFG geführt werden, wenn ein Elternteil nicht bereit ist, sich an eine gerichtlich angeordnete Regelung oder eine getroffene Vereinbarung zu halten.

In Zeiten der Corona-Krise dürfte sich hieran nichts ändern. Erschwerend kommt aber hinzu, dass sowohl eine mögliche COVID-19-Erkrankung, als auch eine angeordnete Quarantäne massive Auswirkungen haben können. Auch muss aktuell berücksichtigt werden, dass die Familiengerichte – wie nahezu die gesamte deutsche Gerichtsbarkeit – nur eingeschränkt aktiv sind und allenfalls Eilverfahren in Notfällen – insbesondere den berüchtigten Verfahren wegen akuter Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB – geführt werden.

Keine Einschränkung der aktuellen Umgangsregelungen

Die Corona-Krise selbst führt nicht per se dazu, dass bestehende Umgangsregelungen ausgehebelt werden oder allgemein keine Kontakte mehr zu dem anderen Elternteil stattfinden können/sollen. Sowohl die Notstandsregelungen, als auch das allgemeine Erkrankungsrisiko haben keinen Einfluss auf den Umgang und berechtigen aufgrund des nur temporären Charakters nicht zu einer Abänderung einer derzeitigen Regelung.

Soweit also der Kindesumgang durch einen gerichtlichen Beschluss oder Vergleich verbindlich geregelt ist, besteht für beide Seiten – also nicht nur den verpflichteten Elternteil, sondern auch den zum Umgang Berechtigten – das Recht und die Pflicht, die Besuchstermine in dem bislang festgelegten Umfang wahrzunehmen.

Sollte der Umgang derzeit noch nicht gerichtlich geregelt sein und allein auf freiwilliger Basis stattfinden, so könnte allerdings der hauptsächlich betreuende Elternteil den zum Umgang berechtigten Elternteil ohne Konsequenzen vom Umgang – aus welchen Gründen auch immer – ausschließen. Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen keine. Hier bliebe nur die kurzfristige Regelung über ein Eilverfahren.

Soweit der Umgang gerichtlich geregelt ist, könnte der hauptsächlich betreuende Elternteil gleichwohl versucht sein, den Umgang ausfallen zu lassen oder aber der zum Umgang berechtigte Elternteil die Termine nicht mehr wahrnehmen. Ist die Umgangsregelung durch Beschluss angeordnet oder aber durch einen Vergleich geregelt, den das Familiengericht sodann – wie üblich – gerichtlich gebilligt und unter Vollstreckungsandrohung gestellt hat, so kommen Zwangsmittel in Betracht. Diese beschränken sich aber weitgehend auf nachträgliche Bewertungen und die Anordnung eines Ordnungsgeldes, womit in der konkreten Situation keinem der Elternteile geholfen ist.

Letztlich wird man in dieser Situation und bis zum Abschluss der Pandemie-Regelungen die ausgefallenen Termine notieren, und sodann ein entsprechendes Ordnungsgeldverfahren nach § 89 FamFG einleiten und auf Nachholtermine hoffen können/müssen.

Wie in allen Verfahren empfiehlt es sich auch hier – soweit das im Einzelfall möglich ist – den Kontakt zum jeweils anderen Elternteil zu suchen und sich gemeinsam abzustimmen.

Sollten auf Seiten des Kindes, des berechtigten und/oder verpflichteten Elternteils besondere Gründe vorliegen - wie beispielsweise eine Erkrankung des Kindes, die Risikogruppenzugehörigkeit eines Elternteils etc. - so wird dies in besonderem Maße eine Bewertung im Einzelfall erforderlich machen. Hier bleiben letztlich auch die Entscheidungen der Familiengerichte nach der Corona-Krise abzuwarten.

Festgestellte COVID-19 Erkrankung oder staatlich angeordnete Quarantäne

Sollte bei einem oder den Kindern eine Corona-Virus-Erkrankung festgestellt sein, dann bestehen weder für den Umgangsberechtigten, noch für den Umgangsverpflichteten eine Pflicht zur Wahrnehmung der Termine. In einem entsprechenden Vollstreckungsverfahren auf Anordnung eines Ordnungsgeldes könnte sich jeder Elternteil auf einen nach § 89 Absatz 4 FamFG nachvollziehbaren Grund zur Entschuldigung berufen. Der Umgangsberechtigte muss sich nicht einem massiven gesundheitlichen Risiko aussetzen, welches letztlich zu seinem Tod führen kann. Dem Umgangsverpflichteten wird man es kaum zumuten können, sein Kind einer anderen Person – wenn auch der eigenen Mutter oder Vater – zu geben und damit in Kauf zu nehmen, dass sich diese Person mit einer möglicherweise tödlich verlaufenden Krankheit infiziert.

Dies gilt umso mehr, wenn auf beiden Seiten Personen aus den Risikogruppen stehen oder Angehörige der Risikogruppen im Haushalt des Umgangsberechtigten leben.

Die vorstehenden Ausführungen geltend auch für den Fall einer staatliche angeordneten Quarantäne eines Elternteils.

Soweit es sich um den hauptsächlich betreuenden Elternteil handelt, wird diesem bereits eine Kontaktaufnahme mit dem anderen Elternteil wegen der angeordneten Quarantäne nicht möglich sein. Der zum Umgang berechtigte Elternteil wird im Falle der Quarantäne nicht in der Lage sein, sein Kind zum Zwecke der Ausübung des Umgangskontaktes aufzusuchen. Darüber hinaus steht hier die erhebliche Besorgnis einer Erkrankung im Raum, so dass auch der andere Elternteil unter Verweis auf § 89 Absatz 4 FamFG berechtigt wäre, den Umgang zu verweigern.

Ausgangssperre und die Folgen

Derzeit ist bundeseinheitlich noch keine Ausgangssperre angeordnet. Welche konkreten Maßnahmen und Anordnungen in einem solchen Fall von staatlicher Seite ergriffen werden, ist noch nicht absehbar.

Die bisherigen – regional ergangenen - Anordnungen sehen allerdings Ausnahmeberechtigungen vor. Grundsätzlich ist im Falle einer Ausgangssperre ein berechtigtes Interesse an einem Aufenthalt außerhalb des eigenen Haushalts nachzuweisen. Die An- oder Abreise zu einem Umgangstermin wird man sicherlich - zumal es sich um den Kontakt zu einem Elternteil/dem eigenen Kind handelt – als ein berechtigtes Interesse qualifizieren können. Der jeweilige Elternteil sollte sich durch einen Umgangsbeschluss, das Protokoll einer gerichtlichen Verhandlung mit Umgangsvereinbarung oder Bestätigung des anderen Elternteils legitimieren und sein berechtigtes Interesse nachweisen können.

Letztlich bleibt aber die konkrete Ausgestaltung einer möglichen Ausgangssperre abzuwarten, so dass hier noch keine abschließenden Ausführungen gemacht werden können.

Fazit

Insgesamt kann man nur an die Kindeseltern appellieren, in dieser sicherlich außergewöhnlichen Situation und Zeit zum Wohle des oder der Kinder eine vernünftige und tragfähige Lösung zu finden. Sicherlich darf man hier nicht allzu optimistisch sein. Was bereits zu "normalen" Zeiten leider nur eingeschränkt funktioniert, dürfte gerade in einer Ausnahmesituation die Beteiligten vor eine ungewöhnliche Herausforderung stellen. Vielleicht sollte man das aber auch als Chance begreifen.

von Ingo Renzel

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